Ich begleite Oma wie jeden Abend in ihr Zimmer und leite das Waschritual mit Punkt Eins – „Gebiss ins Glaslegen“ – ein. Alles ist wie jeden Abend, bis ich Oma das blaue Bettjäckchen überreiche und sie bitte, es anzuziehen. Oma nimmt das Jäckchen und zieht es wie an jedem Abend über ihr Nachthemd.
Ich bemerke, wie sie an der Jacke hoch und runter schaut und mit beiden Händen etwas erstaunt betastet. „Irgendwas stimmt hier nicht“, sagt Oma. Ich frage sie, was denn an der Jacke auf einmal nicht stimmen soll. Sie zieht sie ja schließlich jeden Abend an und bis jetzt war immer alles ok damit.
„Da waren die Motten dran! Guck mal hier: Überall Löcher! Auch noch alle in einer Reihe. Diese Motten, mein schönes Jäckchen!“, schreit sie mir voller Empörung über die Frechheit der Motten entgegen.
Sie zeigt mir die „Mottenlöcher“ und jetzt verstehe ich, was sie meint. Ich beginne zu grinsen. „Versuche doch mal, den Knopf, der auf der anderen Seite ist, durch das Loch zu bekommen und schaue, was passiert“, entgegne ich ihr mit einem freundlichen und gelassenen Rat. Sie probiert es und wundert sich, dass die Jackenknöpfe so gut durch die als Mottenlöcher identifizierten Knopflöcher passen. Ich erkläre Oma, für was die Löcher in der Jacke da sind und wir lachen beide über ihren Irrtum.
Oma freut sich, dass ich ihr Dinge erkläre, die sie verwechselt. So helfe ich ihr, mit einem Augenzwinkern ihre Krankheit nicht immer negativ zu empfinden. Das ist ein schöner Abschluss bevor wir die Nachtruhe einleiten.